Herbergsuche (Mutter-Gottes-Verlosung)
Im Jahr von Christi Geburt war es noch kein Volkssport, durch den Wald zu marschieren. Deshalb waren auch Maria und Josef nicht freiwillig auf Wanderschaft, und gerade die werdende Mutter hätte sich in ihrem Zustand sicher ein Taxi gewünscht.
Ein weiterer Umstand machte die Reise des Paares problematisch: es gab keine Unterkünfte. Denn auf Geheiß des Kaisers waren gleichzeitig sehr viele Menschen zu ihren Geburtsorten unterwegs und Reservierungen über das Internet noch nicht möglich. So mussten die beiden auf ihrer Reise nach Bethlehem auf gut Glück eine Herberge finden. Wie das letztendlich ausgegangen ist, kennt jeder Christ aus der Weihnachtsgeschichte.
Diese Suche nach einer Unterkunft ist der Kern einer alten Tradition, die sich "Herbergsuche" nennt, und die man in Oberreifenberg gut kennt. Die Alteingesessenen kennen sie noch besser und führen die dazu gehörigen Rituale selbst durch.
Viele Jüngere wissen von der Tradition nur noch vom Hörensagen. Doch worum geht es genau? Neun Tage vor Weihnachten treffen sich neun gläubige Katholiken, um der Gottesmutter eine Herberge zu geben. Per Losverfahren werden Zettel mit den Zahlen eins bis neun gezogen. Anschließend geht die Mutter-Gottes-Statue auf Reisen, und bekommt jeden Tage eine neue Herberge. Wer die Figur an welchem Tag bekommt, hat das Los entschieden. Ab dem 15. Dezember wird die Statue jeden Abend an den Ort der nächsten Herberge gebracht, bis sie dann am 24. Dezember zu der:jenigen gelangt, die die Nummer Neun gezogen hat. Dort verbleibt sie bis zum 2. Februar (Mariä Lichtmess) und wird danach an die Herbergsmutter / den Herbergsvater vom 15. Dezember zurückgegeben.
In Oberreifenberg existieren noch zwei Herbergskreise, in denen jeweils eine Mutter Gottes von Herberge zu Herberge zieht.
Wie alt die Tradition ist, kann nicht gesagt werden. Nach dem Krieg befand sich in fast jedem Haus eine Herberge. Das gehörte zu Weihnachten dazu. Die Zahl derjenigen, die gewillt sind, die Tradition fortzuführen, nimmt altersbedingt stetig ab. Es wäre schön, wenn jüngere Teilnehmer:innen für diese Tradition gewonnen werden könnten. In diesem Jahr (2023), wie üblich am 15. Dezember, findet die Herbergsuche bzw. Mutter-Gottes-Verlosung bei den Familien Grossmann und Usinger statt.